Fotoquelle: Stadtverwaltung Worms

WORMS (jk) – Im Rahmen einer hybriden Vernissage am 2. Juli öffnete die Landesausstellung „Hier stehe ich. Gewissen und Protest – 1521 bis 2021“ im Museum der Stadt Worms im Andreasstift ihre Pforten. Neben Ministerpräsidentin und Schirmherrin Malu Dreyer gehörte Katharina Binz, Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration des Landes Rheinland-Pfalz sowie Vertreter der EKHN und des wissenschaftlichen Beirats der Ausstellung zu den wenigen Ehrengästen, die vor Ort mitfeiern durften. Für alle anderen wurde die Veranstaltung ins Internet übertragen.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen zunächst der Auftritt Martin Luthers in Worms und dessen Bedeutung sowie der Mythos, der zeitnah mit dem historischen Ereignis entstand und bis heute eine ungeheure Dynamik entwickelt. In einem zweiten Teil fokussiert die Schau, die bis zum 30. Dezember für Besucher geöffnet sein wird, dann das Thema „Gewissensfreiheit und Protest“ selbst, und zwar sowohl mit als auch ohne Bezug zu Luthers Wirken in historischen Kontexten der letzten 500 Jahre. Neben Martin Luther werden weitere bedeutende Persönlichkeiten vorgestellt, die seit dem 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart für ihre Ideale in Wort und Tat mutig und entschlossen eintraten und nicht selten für ihre Zivilcourage auch mit ihrem Leben bezahlten. Die streitbare Schriftstellerin Olympe de Gouges oder die junge Sophie Scholl fesseln uns noch heute mit ihrem mutigen Beispiel und werden auf faszinierende Weise in der Sonderausstellung durch Exponate, Dokumente und Schlüsselsituationen ihres Lebens vorgestellt. Ebenso vertreten sind Vorkämpfer für Gleichberechtigung und Freiheit wie Martin Luther King und Nelson Mandela, Georg Büchner, die Protagonisten der friedlichen Revolution, die zur Wiedervereinigung Deutschlands führte, und viele weitere mehr.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer betonte: „Sehr gerne bin ich Schirmherrin der Ausstellung, die das Land mit 250.000 Euro fördert. Als zentraler Ankerpunkt der Gesamtfeierlichkeiten zum Lutherjahr zeigt sie sehr anschaulich die große Bedeutung, die Rheinland-Pfalz in der Reformationsgeschichte eingenommen hat. Sie stellt uns Menschen vor, die mutig für ihre Haltung und Überzeugung eingetreten sind, und spannt damit einen Bogen bis in die heutige Zeit. Ich danke allen, die sich für diese Landesausstellung engagiert und dazu beigetragen haben, dass sie unter den schwierigen Pandemiebedingungen realisiert und eröffnet werden kann. Sie könnte auch den Titel ‚Weltausstellung‘ tragen, denn Gewissensfreiheit und friedlicher Protest sind als globale Themen wichtig für die ganze Welt.“

„Reichstag 1521 in Worms – ein Meilenstein in der Reformationsgeschichte“

Katharina Binz, Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration des Landes Rheinland-Pfalz: „Rheinland-Pfalz ist reich an Geschichte. Der Reichstag in Worms 1521 ist in seiner Bedeutung ein Meilenstein in der Reformationsgeschichte und zählt ohne Zweifel zu den herausragenden historischen Ereignissen in unserem Land. Ich freue mich, dass Worms mit dieser Landesausstellung dieses herausragende Ereignis aufgreift und wir mit unserer Landesförderung zum Gelingen dieser Ausstellung beitragen konnten.“

Oberbürgermeister Adolf Kessel: „Die Landesausstellung lädt zum Nachdenken über uns selbst und unsere Zukunft ein. Eindringlich erinnert sie daran, dass die heute in Artikel 4 des Grundgesetzes verankerte Gewissens­freiheit keine Selbstverständlichkeit, sondern eine historische Errungenschaft ist, die auch in unserer Demokratie stets mit Leben gefüllt und immer wieder neugestaltet werden muss.“

Kirchenhistoriker Prof. Dr. Dr. h. c. Thomas Kaufmann, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Ausstellung, wies in seiner Festrede darauf hin, dass „ein dezidiert unheroischer, ja vielleicht gar ein anti-heroischer Zugang zu ‚Luther in Worms‘ die selbstverständliche Ausgangslage bildete. Das entspricht dem heute in Theologie und Geschichtswissenschaften weithin selbstverständlichen Umgang mit Bruder Martinus, dem zu lange Monumentalen, dem oft unerträglich Übermächtigen, dem quälend Unnahbaren.“

Prof. Dr. Katharina Kunter, Konzepterstellerin, sowie Kurator Dr. Olaf Mückain spannten in ihrer Einführung zur Ausstellung dann den Bogen zu den anderen 13 Themen der Ausstellung. Kunter: „Luthers ‚Hier stehe ich!‘ war in einer religiösen Weltdeutung verwurzelt. Aber erst durch die Abkoppelung von Recht und Staat von der Kirche und durch politische Emanzipationsbewegungen entstand die moderne Religions- und Gewissensfreiheit. Sie steht heute jedem einzelnen Menschen von seiner Natur her zu und schützt ihn. Dafür haben sich durch die Geschichte hindurch viele Menschen mutig eingesetzt.“ 

„Zahlreiche Veranstaltungen begleiten die Ausstellung“

Mückain ergänzt: „Allen in der Ausstellung vorgestellten Persönlichkeiten ist gemein, dass sie wussten, wie man mit Worten Menschen berühren und Meinungen beeinflussen kann. Egal ob als Redner, als Prediger, in Form von Schriften oder Flugblättern: Sie waren charismatische Meinungsmacher. Außerdem waren sie von ihren Idealen fast missionarisch überzeugt und handelten konsequent danach.“

Dr. Ulrich Oelschläger, Präses der Synode der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau (EKHN): „Die EKHN begrüßt dankbar das Ausstellungkonzept, das nicht im rein Historischen verharrt, sondern der Wirkungsgeschichte des Lutherauftritts nachspürt, Gewissen und Protest seit Luthers Widerrufsverweigerung in den Blick nimmt und so die Auffassung des jüdischen Philosophen Hermann Cohen verstehen lässt, Luther habe den deutschen Geist in diejenigen Bahnen gelenkt, ‚welche die späteren deutschen Klassiker zum Ziele des deutschen Humanismus geführt‘.“

„Zahlreiche Veranstaltungen sowie ein umfangreiches museumspädagogisches Angebot für verschiedene Altersgruppen begleiten die Ausstellung. Vorträge, Konzerte, Theateraufführungen sowie offene Werkstätten für Jugendliche thematisieren dabei unter anderem auch die Herausforderungen der Gegenwart im Zusammenhang mit Gewissensfreiheit — auch um heutigen Entwicklungen gerecht zu werden“, erläuterte Ulrike Breitwieser, Verwaltungsleiterin des Museums.

Quelle: Stadtverwaltung Worms