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RHEINHESSEN (jk)- Heute erschien in einem Printmedium ein Artikel mit der Überschrift „Die Rüben, das Gift und der Tod“. Auch Jan Ruzycki vom LSV Rheinhessen ist empört: „Wir waren schockiert heute morgen den Artikel in der Zeitung zu lesen. Nicht nur, dass der sachliche Hintergrund fehlt und der ganze Artikel sehr einseitig geschrieben ist, auch die  Formulierungen haben uns geschockt!“.

Der Artikel handelt über die Notfallzulassung für Insektizid Neonics. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und das Bundesamt für Verbraucherschutz machten den Weg frei für eine Notfallzulassung. Allerdings wird im Artikel nur einseitig die Sicht von Tierschützern und Biologen thematisiert.  Das Ganze hat für uns nichts mit objektivem und gut recherchiertem Journalismus zu tun, sondern ist einfach nur Meinungsmache, so Jan Ruzycki am Mittwoch gegenüber unserer Redaktion.

Wenn er von „wir“ spricht, dann spricht Ruzycki im Namen der Rheinhessischen Zuckerrübenanbauer. Die Landwirte wünschen sich eine Richtigstellung bzw. eine umfassende Darstellung des Sachverhalts und der wissenschaftlich abgesicherten Grundlage.

Noch am heutigen Nachmittag wird es um 16:00 Uhr eine Spontankundgebung mit ca. 100 Traktoren und Landwirten am Mainzer Lerchenberg geben.

Hier die Stellungnahme vom 27.01.2021 des Verbandes der Hessisch und Pfälzer Zuckerrübenbauern:

Im Land der Reben und Rüben veröffentlicht die Zeitung einen völlig unzureichend recherchierten und unreflektierten Artikel, der mit falschen Behauptungen und völlig unsinnigen Vergleichen platte Argumente der Gegner einer heimischen Landwirtschaft übernimmt und dabei noch Wahlkampf betreibt. Sowohl ökologisch, sozial als auch wirtschaftlich ist diese Notfallzulassung absolut gerechtfertigt. Bienen sind nicht betroffen durch die Anwendung!

Aber seit Jahren kämpfen die Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer nicht nur gegen den Preiszerfall beim Zucker, den die EU mit der Aufgabe wesentlicher Marktsteuerungselemente verursacht hat, sondern auch gegen die Folgen des Klimawandels. Seit 300 Jahren wachsen hier Zuckerrüben. Allein in dem Gebiet der Allgemeinen Zeitung stehen gerade tausende Arbeitsplätze zur Debatte. Eine biodiverse Kultur, die das Grundwasser nachweislich vor Nitrat schützt, die zahlreichen Tieren Unterschlupf und Nahrung bietet und die Landschaft und Wertschöpfung im ländlichen Raum enorm aufwertet. All das scheint in dem Artikel keine Erwähnung finden zu müssen.

Mit dem Notfall-Einsatz der Neonic-Beize können 90 Prozent der sonst in der Fläche nötigen Mittel eingespart werden. 90 Prozent!

In zahlreichen europäischen Ländern wird das bereits praktiziert. Es gibt bisher auch nach Meinung der Wissenschaft keinen umweltschonenderen und wirksamen Schutz vor Virusübertragung! In Frankreich will man es für drei Jahre erlauben, da die Züchtung resistenter Sorten noch mindestens so lange Zeit braucht. Das Experiment des totalen Verbotes ist auch in Frankreich gescheitert. Die französische Zuckerproduktion wurde schwer geschädigt und soll jetzt sogar Entschädigung dafür erhalten.

Ja auch bei Pflanzen braucht es Medizin. Menschen, Tiere UND Pflanzen müssen vor Viren geschützt werden, sonst sterben sie. Leider gibt es keine Mittel gegen die Viren in der Pflanze. Also müssen wir den Zuckerrüben Schutzmasken verpassen. Das sind unsere Neonics. Für die ersten ca. 8 Wochen sind sie dann geschützt vor Blattläusen. Wie Hunde vor Flöhen.

Hundehalsbänder mit durchaus stärker wirksamen Stoffen aus der Gruppe dieser Pflanzenschutzmittel dürfen nämlich frei im Internet verkauft werden. Jedes dieser Halsbänder ist mit bis zu 4,5 g Neonic-Wirkstoff versehen. Gegen Hundehalsbänder gibt es keine Petition – wer legt sich schon gerne mit Heimtierhaltern an, wenn man selbst Bienen als Nutztiere züchtet. Die Hunde haben dadurch keine Flöhe mehr. Wir brauchen für 10.000 Quadratmeter nur die Menge von 11 Hundehalsbändern – einmal in vier Jahren Ackerbau! Und nur auf den stark von Blattläusen und Viren und Bakterien befallenen Feldern. Nicht pauschal. Und unter Auflagen, die weit über eine wissenschaftlich begründete Notwendigkeit hinaus gehen. Hunde müssten dann wahrscheinlich isoliert leben, würde man gleiche Maßstäbe anwenden. Um wirklich die letzten denkbaren Risiken für eine Biene auszuschließen. Und wir schützen damit alle anderen Tiere auf dem Feld, die nicht getroffen werden sollen vom Pflanzenschutz. Denn wenige Zentimeter neben der Rübe können Sie schon früh viele Insekten an den Unkräutern sehen. Nur die Rübe wird geschützt!

Zuckerrüben blühen nicht. Zuckerrüben werden im kleinen Stadium überhaupt nicht angeflogen von Bienen. Zuckerrüben sind eine der besten Kulturen für die Biodiversität des Ackerbaus. Zuckerrüben haben auch keine Wasserausscheidung, die Bienen mit dem Wirkstoff in Kontakt bringen könnte. Die Saat hat so geringe Stäube, das erst einmal Geräte zu dessen Messung entwickelt werden mussten. Es gab und gibt weltweit keinerlei dokumentierte Bienenschaden durch Zuckerrüben! Trotzdem halten unsere Bauern die Auflagen ein. Imker müssen keine Schäden befürchten. Hier wird wie bei der Impfung eine Angst vor Schäden geschürt, die es nicht gibt! Pflanzenschutzgegner interessiert das nicht. Die Notfall-Behandlung ist Pflanzenmedizin – Phytomedizin hieß das Fach, das hierfür echten Experten gelehrt wird. Neben Tier- und Humanmedizin ist auch das Wissenschaft für das Leben der Menschen!

Der Zuckerrübenanbau und die Zuckerfabrik Offstein kämpfen um ihr Überleben und das Ihrer Bauernhöfe! Kein Notfall, wenn sie von einer Krankheitswelle – der schlimmsten seit 70 Jahren – heimgesucht werden? Zwei Erreger – Viren und Bakterien – treten als schlimmste Pandemie auf dem Acker auf. Zikaden sind gleichzeitig aus dem Mittelmeergebiet eingewandert und brachten Bakterien mit, gegen die unsere Rüben noch nicht resistent sind. Gegen die Bakterien dieser Zikaden gibt es noch keine Rettung, aber ein junges Forscherteam in Worms, Gießen und Bad Kreuznach erforscht alle denkbaren Gegenmaßnahmen. Das ist nur möglich, wenn nicht alle Rüben bereits an Viruskrankheiten versterben. Wir suchen fieberhaft mit allen namhaften Forschungsinstitutionen in drei Bundesländern nach Alternativen bei der Bekämpfung der Virus- und Bakterien-Überträger. Einfach zu verstehen- oder? Es ist wie die Impfung gegen Grippe oder Lungenentzündung. Mehrere Krankheiten wären der Untergang!

Die Zahl der Bienenvölker in Deutschland nimmt seit 2009 übrigens jedes Jahr zu – in den letzten zehn Jahren um ca. 20 Prozent. Aber die zitierte Bienenschützer-Stiftung und ihre Verbündeten streben nach dem „totalen Verbot“ eines Mittels, um in der Öffentlichkeit Siege für den Umweltschutz feiern zu können, die keine sind. Statt aus regionaler Produktion, die keine Bienen gefährdet, kommt dann Zucker aus dem ehemaligen Regenwald, der weit weg von Berlin und Mainz abgeholzt wird, um unsere Ernährung sicher zu stellen. Aber Spendensammeln für Bienenschutz oder Wahlkampf rechtfertigt auch solche Argumente ohne belegbare Fakten bei Zuckerrüben? Zucker wächst im Supermarkt nach?

Hunderte Blühstreifen in Rheinhessen an den Rüben- und Getreidefeldern zeugen vom aktiven Einsatz der Zuckerrübenbauern für die Natur – für die Erhaltung vor allem der Wildbienen. Denn die brauchen unsere Fürsorge!

Im Jahr 2020 war durch den Klimawandel eine Pandemie auf dem Rübenacker ausgebrochen. In Übereinstimmung mit allen offiziellen Stellen in den drei südwestlichen Bundesländern wurde daher „Alarmstufe Rot“ für die Bekämpfung der Viruskrankheiten ausgerufen. Dazu kam es, weil im Klimawandel Blattläuse als erwachsene Tiere überwintern und sofort im Frühjahr die jungen Pflanzen überfallen. Sie tragen die Viren in sich und die Krankheit vermindert den Zuckerertrag um bis zu 45 Prozent! Damit wird der Anbau unwirtschaftlich und die Zuckerfabriken müssen für alle Zeit schließen. Populistische Hetzbotschaften auf den Pflanzenschutz zu verbreiten ist leicht vom Home-Office möglich und schnell ist der Artikel geschrieben. Die über 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allein in Offstein, die über 1000 Fahrer der Maschinen und Transporte sowie die ca. 2000 Bauern, die die Zuckerfabrik Offstein beliefern, weder zu fragen, noch deren Existenzsorgen ernst zu nehmen ist kein guter Journalismus! In Offstein wird auch aus Zucker in der einzigen Produktionsstätte weltweit aus Zucker ein zahnschonender Zuckeraustauschstoff und völlig neue Produkte sind in Entwicklung. Die gesamte Forschung der Südzucker ist da zentriert.

Biodiversität wird gefordert, aber sie ist nicht ohne jeglichen Pflanzenschutz zu bekommen.

JA, der Klimawandel fordert seinen Tribut und Zuckerrüben werden nicht im Homeoffice angebaut! Und ja, es ist verantwortbar, Pflanzen zu schützen. Unverantwortlich wäre es vor der Welt, gegenüber den Bauern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Lebensmittelindustrie, in Bäckereien, Konditoreien, Schokoladen- oder Getränkefabriken im Rhein-Main-Gebiet, dies nicht zu tun und sich stattdessen in anderen Ländern für den eigenen Verbrauch zu bedienen. Europa nimmt armen Ländern das Essen weg.

Mit dem minimalen, kontrollierten und wissenschaftlich begleiteten Einsatz der Beizmittel können wir einen nicht mehr zu reparierenden Schaden an der heimischen Wirtschaft und regionalen Lebensmittelproduktion abwenden! Gleichzeitig brauchen wir noch mehr Forschung. Fortschritt rettet die Welt und die Menschen. Nicht blanke Ideologie, Desinformation oder Leugnen von Erfolgen – hier wie bei anderen aktuellen Themen. Im Einsatz dafür dürfen Sie und Aurelia und alle Imker gerne unterstützen.

Wir brauchen dafür aber in jedem Fall auch Zeit! Neonics sind eine Brückenlösung. Wer diese Brücke abbricht, zerstört eine alte Kulturpflanze und all ihre positiven Wirkungen im ländlichen Raum.  – V.i.S.d.P.: Dr. Christian Lang, Geschäftsführer Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer e.V.