Hanfpflanze
Kaum ein Thema wird derzeit so kontrovers diskutiert wie die Legalisierung von Cannabis.
Hanfprodukte sind derzeit der Renner, allen voran die sogenannten CBD-Produkte*
*CBD ist neben dem psychoaktiven THC das am meist vorkommende Cannabinoid in Cannabis und soll viele positive Eigenschaften besitzen.
Ob als Öl oder Samen, als Kekse oder schlichtes Nahrungsergänzungsmittel, es gibt derzeit nichts, was nicht aus Hanf hergestellt werden würde.
In der Schweiz boomen sogenannte „Hanftheken“, in denen CBD Hanf frei käuflich zu erwerben ist – selbst die CoOp Kette hat eine eigene CBD-Hanf-Zigarettemarke in ihrem Programm.
CBD wirkt nicht psychoaktiv, soll aber eine ungemein „beruhigende“ bzw. „zufriedenstellende“ Eigenschaft besitzen.
Pfalz-News hat gemeinsam mit Rheinhessen-News einen Probanden begleitet, der einen längerfristigen Selbstversuch mit CBD-Hanf durchgeführt hat (der bisher einzig uns bekannte dieser Art – der Bericht hierzu wird separat veröffentlicht).
Im Zuge dieses Selbstversuches sind immer wieder rechtliche Fragen aufgetreten.
Wir haben uns daher mit dem bekannten Fachanwalt für Strafrecht, Herrn Patrick Welke unterhalten.
Patrick Welke aus der Mannheimer Kanzlei „Beckar-Behlau“ bearbeitet überwiegend Fälle aus dem Betäubungsmittelstrafrecht.

Das Interview

Rheinhessen-News: Herr Welke, CBD Hanftee zum Beispiel ist in Deutschland ja frei käuflich zu erwerben, während der Besitz bzw. der Ankauf oder Anbau von CBD Hanf (also der Rohstoff des Tees – quasi dasselbe) illegal bzw. verboten ist?

Patrick Welke: „CBD selbst ist im Gegensatz zu THC nicht in den Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz aufgeführt, sodass es auch nicht darunter fällt. Jedoch haben eigentlich alle CBD-Produkte einen zumindest geringen Anteil von THC, sodass deren Besitz, Ankauf und Anbau dann doch strafbar sind. Es gibt in der Anlage I jedoch eine Ausnahme für Cannabisprodukte, wenn Ihr Gehalt THC 0,2 Prozent nicht übersteigt und der Verkehr mit den Cannabisprodukten (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen. Zu letzterer Voraussetzung gibt es bisher wenige Urteile. Aber das Oberlandesgericht Hamm sah in einem Urteil vom 21.06.2016 (Az. III-4 RVs 51/16, 4 RVs 51/16) einen zulässigen gewerblichen Zweck im Sinne der Ausnahmebestimmung nur dann als gegeben an, wenn der Hanf zu einem unbedenklichen Produkt, wie z.B. Papier, Seide oder Textilien weiterverarbeitet werden soll. Erst unbedenkliche Cannabisprodukte dürfen dann an einen Endbenutzer abgegeben werden. Geht man von dieser Rechtsprechung aus, so würden auch sämtliche Cannabisprodukte mit einem THC-Anteil von bis zu 0,2 Prozent nur dann unter die Ausnahme fallen, wenn es sich um unbedenkliche Produkte handelt, die nicht mehr konsumiert werden können.“

Rheinhessen-News: Wieviel Gramm Hanfblüten (Marihuana) darf man in Deutschland „straffrei“ mit sich führen – gibt es hier Bundesländerspezifische „Freimengen“ – bei denen die Strafverfolgung eingestellt werden würde?

Patrick Welke: „Auch der Besitz von kleinen Mengen von Cannabis ist in Deutschland strafbar. Es wird dann immer ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nach § 31a BtMG kann die Staatsanwaltschaft aber von der Verfolgung absehen und das Ermittlungsverfahren einstellen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge besitzt. Die geringe Menge ist in Deutschland nicht bundeseinheitlich sondern von den einzelnen Bundesländern in jeweiligen Richtlinien geregelt. Insgesamt 11 Bundesländer setzten die geringe Menge dabei bei bis zu 6g Cannabisprodukten an. Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Thüringen haben die geringe Menge auf 10g festgelegt. In Berlin sieht die Richtlinie vor, dass bis zu 10g grundsätzlich einzustellen ist und bis 15g eingestellt werden kann. Problematisch wird es mit der Einstellung aber für Wiederholungstäter. Die Richtlinien der Bundesländer sehen hier zumeist vor, dass nur beim Erst- oder Zweittäter eine Einstellung nach § 31a BtMG erfolgen kann.“

Rheinhessen-News: In Bayern wurde unlängst ein DNA Vergleichstest mit einem Joint (mit einer Menge von 0,5g Marihuana) angefordert, um den „Täter“ zu ermitteln – wie sehen Sie als Anwalt hier die Verhältnismäßigkeit zur Straftat?

Patrick Welke: „Aus meiner Sicht ist das bei der geringen Menge eigentlich nicht verhältnismäßig, zumal es ja unter den eben dargestellten Voraussetzungen zumindest beim Ersttäter sowieso in der Regel eingestellt werden kann. Laut den mir bekannten Presseberichten zu dem Fall in Bayern hatte der Angeklagte die DNA-Überprüfung aber selbst beantragt.“

Rheinhessen-News: Sind Sie beim DHV selbst aktiv tätig? (DHV = Deutscher Hanfverband)

Patrick Welke: „Direkt beim DHV aktiv bin ich nicht. Allerdings habe ich mit meinem Kanzleikollegen Dr. Jörg Becker und der Verkehrspsychologin Petra Dahl einen Vortag „Cannabis und Recht“ ausgearbeitet, den wir inzwischen schon fünf Mal für die DHV Ortsgruppen Rhein-Neckar und Karlsruhe gehalten haben. Eine weitere Veranstaltung in Stuttgart findet noch dieses Jahr statt. Außerdem habe ich Rahmen der DHV-Kampagne „Klarer Kopf. Klare Regeln!“ schon eine Frage-Antwort-Stunde auf deren facebook-Seite durchgeführt.“

Rheinhessen-News: Wie sehen Sie persönlich die derzeitig rechtliche Situation zu Marihuana? (Gerade im Vergleich zu Alkohol – der dem Körper als Stoff ja völlig fremd ist und eher als „Gift“ tituliert werden dürfte, während Canabinoide körpereigene Stoffe sind, bei denen es zu keiner „Vergiftung“ kommen kann – jedoch entsprechend psychische Auswirkungen hat)

Patrick Welke: „Ich halte die derzeitige rechtliche Situation bezüglich Marihuana nicht mehr für zeitgemäß. Die Kriminalisierung von Cannabis ist gescheitert und hat ihren Zweck offensichtlich nicht erreicht. Zudem ist die Gefährlichkeit von Cannabis nach zahlreichen Studien geringer als die Gefährlichkeit von Alkohol. Die bestehende Ungleichbehandlung, z.B. auch im Fahrerlaubnisrecht, ist nicht gerechtfertigt.“
Rheinhessen-News: Fallbeispiel für unsere Rheinland Pfälzischen Leser: Derzeit ist ja das medizinische Marihuana im Gespräch – viele bekommen es jedoch nicht verschrieben oder können es sich schlicht nicht leisten und bauen selbst Pflanzen an. Welche Strafe haben diese Menschen zu erwarten, die rein für ihren eigenen Bedarf zu medizinischen Zwecken ihre Pflanzen groß ziehen? Gibt es hier ggf. gesetzliche Grenzwerte (z.b. max. 3 Pflanzen – oder strafbar erst wenn die Pflanzen auch Blüten tragen mit mindestens xxx Gramm oder xxx% THC ? )
Patrick Welke: Leider funktioniert die medizinische Versorgung mit Cannabis tatsächlich noch nicht wie geplant. Für die Patienten ist es schwierig einen Arzt zu finden, der es verschreibt. Außerdem übernehmen die Krankenkassen die Kosten oft nicht und es kommt zu Lieferengpässen bei den Apotheken. Wenn jemand sich dann eigene Pflanzen anbaut, macht er sich wegen Anbau von Betäubungsmitteln strafbar. Eine Rechtfertigung wegen Notstands hat der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr dazu abgelehnt. Die Strafbarkeit wegen Anbaus beginnt bereits mit dem Einpflanzen der Samen. Es müssen also noch keine Blüten usw. vorhanden sein. Wenn eine „nicht geringe Menge“ an THC erreicht ist, liegt sogar ein Verbrechen vor und das Gesetz droht eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe an. Die „nicht geringe Menge“ für Cannabis wurde vom Bundesgerichtshof auf 7,5 g reines THC festgelegt. Es wird dann also ein Wirkstoffgutachten zu der aufgefundenen Menge eingeholt. Beispielsweise kann die „nicht geringe Menge“ dann schon bei 50g Marihuana erfüllt sein, wenn diese einen Wirkstoffgehalt von 15 % aufweisen.“

 

Patrick Welke – Fachanwalt für Strafrecht

Zur Person: Rechtsanwalt Patrick Welke hat sich ganz auf das Strafrecht spezialisiert.
Nach dem Studium an der Universität Heidelberg und dem Referendariat am Landgericht Heidelberg ist er seit 2014 als Anwalt in der Kanzlei Beckar Behlau in Heidelberg und Mannheim tätig.

Seit 2017 ist Strafverteidiger Patrick Welke Fachanwalt für Strafrecht. Er bearbeitet insbesondere Mandate aus dem Betäubungsmittelstrafrecht